KRIBUS-KRABUS-DOMINE


Die Zusammenfassung des Films erweckt zunächst Reminiszenzen an Johanna Spyris „Heidi“: 
Ein etwa 10jähriges Mädchen verbringt regelmäßig den Sommer auf der Alm, zusammen mit der Mutter und den Kühen; auch der Vater kommt ab und an ´mal´ rauf.

Doch beim Betrachten des Films stellt sich heraus, dass diese Bilder – aus der liebevollen Sicht der Entronnenen – nichts mit der hehren Bergwelt der Heimatromane, nichts mit den heutzutage geläufigen alternativen Beschwörungen einer Landidylle gemein hat. Er könnte eher Heidis Alptraum sein. Er zeigt die wirkliche, beinahe archaische Bedrohlichkeit der Natur, die das Kind trotz der väterlichen Versicherungen, wie herrlich es da oben doch sei, noch unmittelbar spürt und fürchtet. Allein, zwischen aufrechten Bäumen und Erwachsenen, die sich selbst als isoliertes Stück kraftvoller Natur begreifen, rettet es sich in stummen Trotz. Gegen die Kommunikationslosigkeit dieser Menschen und Tannen sind seine Ausbruchsphantasien gerichtet – die Briefe an die exotische Farah Diva etwa -, ebenso aussichtslose wie stereotype Versuche, der berglerischen Dumpfheit zu entrinnen.
       
Nur manche Gegenstände sind auf seltsame, surreale Weise lebendig: die widerspenstigen Bratkartoffel, der matschige Teig, das Waschbrett oder der metallene Kessel, den die Mutter mit penetrant-monotonen Handbewegungen scheuert. Und nur einmal gerät wirklich etwas in Bewegung: als das kleine Mädchen im roten Röckchen hinterm Vater auf dem Motorrad ins Tal hinab fährt.
       
Dieser Kurzfilm der jungen Südtirolerin steht merkwürdig quer zum gängigen Angebot filmischer Erstlinge: ein Findling in der eintönigen Landschaft sozialkritischer Geschichten über die Großstadtmisere. Er erinnert in einer kargen, ausdrucksstarken Bildersprache daran, dass Steine auch auf den Alpen nicht küssen, dass sie nicht per se tröstlicher sind als der Beton im Dickicht der Städte, dass in den Hymnen auf die hehre Bergwelt stets auch falsche Töne mitschwingen.

Eine zeitlose Parabel über die Einsamkeit der kindlichen Seele also?
Es wird dem wachen Zuschauer nicht schwer fallen, das aktuell Unzeitgemäße an diesem kleinen Alpendrama zu entdecken. (Claudia Honegger)